Die Marquise von O. 2 CDs.

EAN/UPC/ISBN Code 9783151200048


Die Marquise von O… ist eine Novelle von Heinrich von Kleist, die zuerst im Februar 1808 in der Literaturzeitschrift Phöbus erschien. Die Handlung spielt in Italien. Obwohl Heinrich von Kleist die dramatische Kunst als literarische Gattung am höchsten schätzte, ließ er sich aus finanziellen Gründen aufs Novellenschreiben ein. Ausgangspunkt der "Marquise von O…" ist die skandalöse Begebenheit einer unwissentlich zustande gekommenen Schwangerschaft. Durch verschiedene sprachliche Mittel wird der Geschichte ein Eindruck von Authentizität verliehen. Zu diesen Mitteln zählen beispielsweise der Untertitel "Nach einer wahren Begebenheit, deren Schauplatz von Norden nach dem Süden verlegt worden ist" sowie die Abkürzung der in der Novelle erwähnten Orts- und Personennamen. Letztere legt eine tatsächliche Existenz von Figuren nahe, deren Identität nicht preisgegeben werden darf. Der tatsächliche Wahrheitsgehalt der Novelle ist jedoch fraglich. Als Schauplatz der Handlung wurde Italien zum Zeitpunkt der zweiten Koalitionskriege (1799–1802) ausgewählt. Als mögliche Quelle gilt der "Essai über die Trunksucht", den Michel de Montaigne 1588 verfasste. Diese Anekdote handelt von einer im Schlaf durch einen betrunkenen Knecht vergewaltigten Bäuerin. Die Bäuerin heiratet ihren Vergewaltiger, nachdem er ihr die Tat gestanden hat. Außerdem hat Kleist wahrscheinlich die 1798 ohne Verfasserangabe im "Berlinischen Archiv der Zeit und ihres Geschmacks" erschienene Erzählung „Gerettete Unschuld“ und eine Passage aus Jean-Jacques Rousseaus Briefroman "Julie oder Die neue Heloise" (1761) gelesen. Daraus gewann er weitere Elemente seiner Erzählung, wie vor allem die in seinem Werk ausführlich beschriebene Vater-Tochter-Beziehung. Heinrich von Kleist spricht in diesem Werk viele Probleme an. Zum einen beschreibt er, wie der Krieg einen Menschen verändern kann, wie in diesem Falle den Grafen F…, der zum Vergewaltiger wird. Im Grunde handelt es sich bei ihm jedoch um einen guten Menschen, da er die Marquise aufrichtig liebt und sich verpflichtet sieht, sie zu heiraten. Auch die Brutalität und Rücksichtslosigkeit, mit der Mütter von unehelichen Kindern in der Gesellschaft behandelt werden, spielt in Kleists Werk eine Rolle. Der Autor parodiert spitz und präzise die Brutalität der bürgerlichen Gesellschaftsordnung und ihr Versagen. Die Familie ist nicht der Rückzugsort, wo man geliebt und angenommen wird, sondern sie untersteht strengen Regeln – die Respektierung der Sitte ist wichtiger als die Bedürfnisse des Individuums. Daran kann auch die Marquise nichts ändern. Letztlich muss sie sich in die Ordnung einfügen und sie akzeptieren, auch wenn sie damit zurechtzukommen scheint. Der Vater, der den Patriarchen und Beschützer sowie die zentrale Figur der Geschichte darstellen soll, versagt in der Novelle. Er kann seine Tochter vor der Vergewaltigung nicht bewahren. Was die gesellschaftliche Norm anbelangt, so ist die Bewahrung vor Sexualität, Begierden und selbst unkeuschen Gedanken eine wichtige Aufgabe, die auch größtenteils beim Vater liegt. Dieser ist auch kein Vorbild in Sachen Keuschheit, pflegt er doch selbst einen Umgang mit seiner Tochter, der eher an ein Liebesverhältnis erinnert. Sein Name parodiert sein klägliches Scheitern treffend. Die Karriere Lorenzos, des "mit Sieg Gekrönten", ist zum Scheitern verurteilt, als er die Festung verliert, die er beschützen sollte. Auch sein Privatleben gerät aus den Fugen, als ihm dasselbe mit seiner Tochter passiert. Seine abweisende Reaktion auf ihre Schwangerschaft, die, wie man annehmen darf, von purer Eifersucht herrührt, lässt sein Ansehen beim Leser weiter sinken.