Analyse der Phobie eines fünfjährigen Knaben.
Noch nie habe er tieferne Einblick in die Seele eines Kindes gewonnen, konstatierte Freud am 1. Juni 1909 in einem Brief an Ernest Jones anläßlich des Erscheinens seiner Fallstudie des sogenannten "kleinen Hans". Zwar wurde der an einer Pferdephobie erkrankte Fünfjährige seinerzeit nich von ihm selbst behandelt, sondern vom eigenen Vater, einem bekannten wiener Intellektuellen und frühen Anhänger, der ihn aber häufig konsultierte. Auf diese Weise gelangte der Begründer der Psychoanalyse, der bislang die frühkindliche seelische Entwicklung aus der Behandlung erwachsener Patienten bloß hatte rekonstruieren können, erstmals unmittelbar mit analytischem Material eines Kinde sin Berührung - den bewegenden, bezaubernden Äußerungen eines zwischen heftigsten Triebwünschen und dem Bemühen um Gehorsam hin- und hergerissenen kleinen Jungen, der, trotz peinigender Ängste, mit ernster Logik infantile Sexualforschung betreibt. Anhand der Verbatim-Protokolle des Vater hat Freud nach geglückter Heilung des Patienten die Falldarstellung niedergeschrieben. Epochenmachend ist sie in mehrfacher Hinsicht: Es handelt sich um die erste psychoanalytische Behandlung eines Kindes, also die Eröffnung eines neuen Therapiefeldes, nämlich der Kinderanalyse, sowie um die erste systematische analytische Kinderbeobachtung. Ferner haben wir den ersten Bericht einer Supervision vor uns.