Overtones (Ltd.Pur Edt.)
Preis 16.33 USD
Im Grunde sind es die immer gleichen Geschichten, die zu faszinieren vermögen: entweder von unscheinbaren Schauspielerinnen, die über Nacht aus einem Imbiss heraus entdeckt und berühmt werden, oder von musikbesessenen Halbwüchsigen aus grauen Londoner Vorstädten, die jahrelang als nette Jungs von nebenan die Uni besuchen, Omas über die Ampel helfen und nachts in ihren Kinderzimmern bei sensationellen Experimenten mit Tape Decks und Computern zum Tier werden, bevor sie endlich Erfolg haben dürfen. So wie Just Jack mit seinem Album Overtones. Der Typus des heimwerkenden Musikers steht hoch im Kurs, tritt er doch den lebendigen Beweis an, dass Einfallsreichtum weit mehr wert ist, als das teuerste Equipment dieser Welt. Genau wie vormals Jamie T. mit seinem Aufsehen erregenden Album Panic Prevention, begibt sich nun Jack Alsopp, alias Just Jack mit Overtones auf diesen Kurs. Und genau wie Jamie T. lässt sich auch Just Jack keine Sekunde lang vom Manko seiner eher mittelmäßigen stimmlichen Qualitäten in seinem musikalischen Mitteilungsbedürfnis ausbremsen. Selbstbewusst collagiert er gleich im ersten Song “Writer’s Block“ seinen HipHop-Sprechgesang mit perlenden Harfen, Streichern und Versatzstücken eines BBC-Interviews. Hier wird deutlich: Just Jack ist kein wütendes, dunkelhäutige Kind der Straße, sondern ein intellektueller, weißer Designstudent der Middle-Class-Vorgärten, besessen vom Spieltrieb, sich effektvoll musikalischer Zitate zu bedienen. So wie in “Glory Days“, einer musikalischen Reminiszenz ans britische Frühstücksfernsehen, inklusive Vogelzwitschern. Das Resultat kann sich hören lassen, nur dass Just Jack dazu eher stimmlich “bloggt“ anstatt zu singen. An den wenigen Stellen an denen er sich dennoch traut (“Mourning Morning“), bleibt die Performance trotz stimmungsvoller Instrumentierung mit Streichern und akustischer Gitarre etwas flach. Der Gesangsstil ist tatsächlich die einzige Zwickmühle, aus der sich Just Jack nicht zu befreien vermag. Ansonsten agiert er in allen anderen Königsdisziplinen, wie Songwriting und Arrangements, mit der souveränen Wandlungsfähigkeit eine Chamäleons (“Starz In Their Eyes“). In stilistischer Hinsicht hat Just Jack mit sicherem Händchen tief in der Retro-Sound-Kiste gegraben und luftige Streicher mit Bläsern, Background Chor, poppigen Drums und zuweilen skurilen 70er-Jahre-Synthesizer-Sounds gekonnt kombiniert, wie zum Beispiel auf “Spectacular Failures“. Nicht zu überhören ist Just Jacks Vorliebe für die Disco-Ära (“Disco Friends“ und “No Time“). Overtones hat das Zeug für eine poppige Wohlfühlplatte, glücklicherweise mit exakt den richtigen Anteilen von Melancholie und Besinnlichkeit (“Lost“, “Symphony Of Sirenes“), die es bedarf, um die Mischung vor dem Umkippen in eine seichte Wellness-Brühe zu bewahren. Andreas Schultz