Fünf Töne nur sind es, die das Piano in die Stille des Raumes tröpfeln lässt und ihn dadurch für immer verändert. Fünf Töne voller Schwermut, voller leicht verständlicher Offenheit, mit denen sich das reduziert swingende Schlagzeug umgehend anfreunden kann. Die Snare-Drum klingt so weitläufig, so verhallt, so dezent als habe sie sich im Foyer einer Gemäldegalerie postiert. Oder in einer venezianischen Villa. Genau dort stand das Instrument tatsächlich und gab sein Leben dafür hin, die italienische Sängerin und Komponistin Etta Scollo auf deren achtem Album Il Bianco Del Tempo begleiten zu dürfen. "Das Weiß der Zeit" wollte die in Sizilien geborene und in Hamburg lebende Etta Scollo mit ihren zehn Liedern einfangen, denen eher eine gemeinsame Stimmungslandschaft als ein per Schlagwort zu umschreibender Stil zu eigen ist. Denn vom kammermusikalischen Pop, mit dem das Titelstück das Album eröffnet, gleitet die Dramatik in das von Geigern umwölkte Breitwand-Epos "Il Buio", während hinter der nächsten Ecke der heitere Groove von "Aspetto" lauert. Der organisch brummende Kontrabass tritt in Dialog mit digital generierten Sounds, ein hoch gezüchtetes Arrangement kurz vor der Grenze zum Kitsch wird umgehend mit einer intimen Pianoballade beantwortet. Die Farbe Weiß dient Etta Scollo dabei offensichtlich als Symbol eines Ur-Zustandes, als eine Leinwand, auf der sie die Geschichten eines ganzen Jahres ausbreitet. Als lyrischem Tagebuch kommt diesen Beobachtungen eine zeitliche Doppelfunktion zu: Sie halten den Augenblick für einen Moment gefangen, strecken ihn über sich selbst hinaus und ermöglichen es ihm zugleich, Geschichte in einem Zyklus von Geschichten zu werden. Natürlich könnte man meinen, all das sei hemmungslos kitschig, doch am Rande dieses Abgrundes balanciert nun einmal, wer sich ans Formulieren großer, alltäglicher Gefühle heran wagt. --Björn Döring