Invincible - Unbesiegbar [VHS]
Werner Herzogs Invincible - Unbesiegbar, der erste Spielfilm des wohl bildgewaltigsten Regisseurs des so genannten neuen deutschen Films nach zehn Jahren, in denen er vor allem Dokumentationen gedreht und Opern inszeniert hat, muss noch entdeckt werden. Bei seiner Premiere auf den Filmfestspielen in Venedig ist er von der Kritik verrissen und später dann bei seinem Start in den deutschen Kinos vom Publikum übersehen worden. Wie schon gut 20 Jahre zuvor Rainer Werner Fassbinders Lili Marleen stieß auch Herzogs Annäherung an das Dritte Reich mit den Mitteln des Melodrams fast durchgängig auf Unverständnis und Verbitterung. Die Geschichte scheint sich -- zumindest im Blick auf den deutschen Film und seine Rezeption -- wirklich immer von neuem zu wiederholen. Durch einen Zufall entdeckt ein Berliner Impressario 1932 in einem ostpolnischen Schtetl den ungeheuer starken Schmied Zishe Breitbart (Jouko Ahola). Der jüdische Tor lässt sich überreden, nach Berlin zu gehen, und bekommt in dem von dem Hellseher Hanussen (Tim Roth) betriebenen Palast des Okkulten ein Engagement als "stärkster Mann der Welt". Zunächst tritt Zishe als Siegfried vor den im Palast ein- und ausgehenden Größen der nationalsozialistischen Bewegung auf, doch schließlich rebelliert er gegen den tyrannischen Hanussen, in dessen Lebensgefährtin Marta (Anna Gourari) er sich verliebt hat. Auf der Bühne verkündet er seine wahre Identität und wird als neuer Samson zur messianischen Figur für die jüdische Gemeinde Berlins. Die zehn Jahre, in denen Werner Herzog dem Spielfilm den Rücken gekehrt hatte, haben deutliche Spuren in Invincible hinterlassen. Herzog war zwar schon immer von der Oper fasziniert -- in Fitzcarraldo ist es die überirdische Schönheit der italienischen Opern, die den Helden zu seinen schon wahnwitzigen Anstrengungen treibt --, aber seine Liebe zu dieser dem Kino so nahen Kunstform war die eines distanzierten Bewunderers, dem die Sentimentalität und das Melodramatische des Musiktheaters im eigenen Schaffen fremdgeblieben sind. Erst mit der Geschichte des "stärkster Mann der Welt" hat Herzog nun so etwas wie seine ganz und gar filmische Oper geschaffen. In Invincible schreckt Herzog weder vor Typisierungen noch vor überwältigend kitschigen Momenten zurück. Gerade in den Szenen zwischen Marta und Zishe, die von einer Konzertpianistin und einem Bodybuilder verkörpert werden, schwelgt er regelrecht in sentimentalen Bildern, die jeden, der sich auf sie einlässt, so tief berühren werden wie sonst nur die großen Arien von Puccini oder Verdi. Dabei kennzeichnen diese wunderschönen, formvollendeten Bild- und Schnittkompositionen zugleich eine Einfachheit und Selbstverständlichkeit, die Herzog als einen großen Naiven des Kinos offenbaren. Während Filme wie Aguirre, der Zorn Gottes, Nosferatu oder eben auch Fitzcarraldo eher eine kühle, fast schon intellektuelle Hochachtung vor der Vision ihres Regisseurs provozieren, reißt einen Invincible einfach mit. Und wenn man schließlich erkennen muss, dass Zishe und Hanussen, der naive Kraftmensch und der gerissene Manipulator, letztlich zwei Seiten einer Medaille sind, dann kommt man der komplexen Realität der untergehenden Weimarer Republik näher als in jedem anderen Film über diese Epoche deutscher Geschichte. --Sascha Westphal