Flamencologia V.3

EAN/UPC/ISBN Code 8427328955140



Die große Stadt setzt ein kleines Mädchen in die Welt. Die große Stadt verliert das kleine Mädchen an die Schatten der Unterwelt. Die große Stadt vereint sich wieder mit dem Geist ihres kleinen Mädchens. Das ist die Geschichte von María de Buenos Aires, einer 30 Jahre alten Operette in spanischer Sprache, die von Astor Piazzolla, dem größten Verfechter des modernen Tango, komponiert wurde. Diese Aufnahme wurde von dem Violinisten Gidon Kremer initiiert, und hieraus resultierte ein elegantes, neues Arrangement (mit einer Reduzierung der Zahl der Musiker von ursprünglich elf auf acht, wozu auch das von dem verstorbenen Piazzolla so geliebte Bandoneon gehört). Horacio Ferrer, der das Libretto schrieb, ist hieran beteiligt und übernimmt die Rolle des Goblin (oder El Duende), des Erzählers. Ferrers nachdenkliche Bariton-Sprechstimme verleiht dem Werk einen Hauch von melancholischer Romantik, die mit Julia Zenkos robust gespielter Rolle der María kontrastiert, die im Pizzicato-Stil Silbe für Silbe aussprechen kann, ohne die Bedeutung ihrer Sätze zu vergessen und die ihre "r" mit einer Inbrunst betont, die gleichermaßen nach Straße und nach Schloss klingt. In einem großen Teil der Operette ist María eigentlich nur der Geist von María aus dem Reich der Schatten, dazu verdammt, durch die Stadt zu wandern; wenn Zenkos María aus dem Schattenreich vitaler erscheint als die meisten lebenden Sterblichen, muss man annehmen, dass Ferrer diese Interpretation billigte. Das Ensemble ist außergewöhnlich, dem Jazz-Piano von Vadim Sakhaov und Kremers elegischer Violine wird besondere Bedeutung zugestanden. Die Produktion zeigt enorme emotionale Zurückhaltung, ganz im Gegensatz zu der María bei Milan Records. Zeitweise geht Ferrers phantasievolle Poesie allerdings über in Hysterie und Surrealismus. Wer sonst, außer vielleicht noch Woody Allen, könnte eine "Aria Of The Anyalysts" komponieren, in der María sich ihren Erinnerungen stellt. --Marc Weidenbaum