Seelensprung. Bericht aus einer parallelen Welt
"Was war an mir so gestört, dass ein Arzt mich in weniger als einer halben Stunde in die Klapsmühle steckte?" -- Eine berechtigte Frage für Susanna Kaysen, entpuppte sich doch ihre auf wenige Wochen anvisierte Einweisung in die Psychiatrie als fast 2-jähriger Aufenthalt. Zugegeben, die junge Susanna hatte Probleme mit dem Einpassen in gesellschaftliche Regeln (aber die hatten in den späten 60er-Jahren einige). Ob sie jedoch wirklich ein Fall für eine Nervenheilanstalt war, sei dahingestellt. Kaysen selbst wurde jedenfalls, das beschreibt sie in einer der interessantesten Passagen des Buches, "nicht einfach bekloppt", sondern war sich ihrer Fehlwahrnehmungen der Realität durchaus bewusst. Den Alltag in jener Heilanstalt beschreibt Kaysen in ihrem Buch ohne Wut auf das System, aber mit viel Gespür für Details und lakonischen Blick auf eine Einrichtung, die für viele ihrer Mitpatientinnen "ebensosehr Zufluchtsort wie Gefängnis war". Ganz anders als Einer flog über das Kuckucksnest, mit dem Kaysens Buch und der daraus entstandene Film oft verglichen werden, ist Durchgeknallt nicht die Beschreibung einer düsteren Verwahranstalt für Außenseiter, sondern liefert episodenhafte Aufnahmen aus einer zwar oft seltsam anmutenden, aber für Kaysen letztlich hilfreichen Institution. Trotzdem hinterlassen zwei Jahre in dieser Umgebung Spuren auf der zur Heilung vorgesehenen Seele und Susanna Kaysen hat ihre Erlebnisse im psychiatrischen Krankenhaus denn auch als eine Art Therapie von der Therapie niedergeschrieben. Der Bericht von der Suche dieses unsicheren Mädchens nach sich selbst und ihr Schicksal dabei hinterlässt eines jedenfalls mit Gewissheit: Den Zweifel, wer denn nun eigentlich verrückt ist, die drinnen in der Klinik oder wir hier draußen. --Joachim Hohwieler