Sonate für Klavier

Preis 22.25 - 44.30 USD

EAN/UPC/ISBN Code 28945391427



Über den französischen Komponisten Jean Barraqué, 1928 in Puteaux geboren und schon 1973 an einer Hirnblutung gestorben, schweigen sich viele Musiklexika aus oder beschränken sich auf wenige Sätze. Was für ein Mensch mag dieser revolutionäre, in seinen späten Lebensjahren jedoch psychisch labile Komponist gewesen sein, dessen eigenartig scheu und ängstlich wirkendes Porträt einen aus dem CD-Booklet heraus anblickt? Er war nach dem Zweiten Weltkrieg Schüler von Jean Langlais gewesen, jenem blinden Organisten und Komponisten, dessen eindrucksvolle Improvisationen teilweise auf Schallplatten festgehalten wurden. Außerdem besuchte er Analysekurse von Olivier Messiaen, dessen "herausfordernde künstlerische Maßstäblichkeit" Barraqué u.a. dazu anregte, seine 1950 bis 1952 entstandene Klaviersonate "entgegen allen seriellen Komprimierungstendenzen zu einer dreiviertelstündigen musikalischen Landschaft auszubreiten", wie Ulrich Dibelius schreibt. Die Länge des zweisätzigen Werks führt jedoch keineswegs zu Langeweile, sondern läßt den Hörer vom ersten bis zum letzten Ton in atemloser Spannung verharren. Besonders aussagekräftig sind einige unerhört lange Pausen am Ende des ersten Satzes, unterbrochen nur von kurzen, prägnanten Einwürfen. Es ist schwierig, die kompositorische Struktur dieses äußerst intensiven Stücks zu beschreiben. Auffällig sind die komplexen rhythmischen Gestalten und die dichte kontrapunktische Struktur, durch welche kein Ton den Anschein der Zufälligkeit haben kann, wenn auch der Hörer kaum exakt wahrzunehmen vermag, warum die ganze Sonate den zwingenden Eindruck des "So und nicht anders muß es sein" hat. Bei einem so transzendent schwierigen Stück spielt der Aspekt der Interpretation im Sinne einer korrekten und das exakte Wissen um die kompositorische Struktur einbeziehenden Wiedergabe eine wichtige Rolle. Daher ist der Booklet-Text von Herbert Henck, dem eine hervorragende Darbietung des Sonate gelang, von großem Interesse: Henck beschreibt den Weg vom ersten Kennenlernen des Stücks bis zu dem ernsthaften Vorsatz, es einzustudieren und aufzuführen. Zahlreiche Probleme mit dem teilweise sehr fehlerhaften und ungenauen Notentext mußten überwunden werden, bis die eigentliche pianistische Erarbeitung beginnen konnte. Es ist ein entbehrungsreiches Unterfangen, ein solches Stück zur Konzertreife zu bringen; die Monate vor der ersten Aufführung hielt Henck sich weitgehend frei, um sich ganz der Sonate widmen zu können. Das auf dieser CD festgehaltene Ergebnis dieser engagierten Auseinandersetzung spricht für sich: Es läßt die selten zu hörende Musik Barraqués als bedeutendes kompositorisches Zeugnis des zwanzigsten Jahrhunderts erkennen, mit dem es sich genauer zu beschäftigen lohnt. --Michael Wersin