Schubertiade
Franz Schubert, Dietrich Fischer-Dieskau, Gerald Moore -- Drei Namen, die in diesem Jahrhundert gemeinsam Karriere gemacht haben. Für den großen Liedbegleiter Gerald Moore, ein Vierteljahrhundert älter als Fischer-Dieskau, bedeutete die Begegnung mit dem deutschen Bariton und gerade die Arbeit an Schuberts Werken die Krönung seiner Karriere. Ohne zu wissen, daß die beiden zwischen 1966 und 1972 für die Deutsche Grammophon sämtliche Lieder Schuberts -- etwa 600 -- aufnehmen sollten, spielten sie in den Jahren davor für EMI eine Auswahl dieser Lieder ein. Es entstanden dabei Aufnahmen, die einen Sänger auf der Höhe seines Könnens zeigen, noch in angenehmer Ausgewogenheit zwischen stimmlichen Möglichkeiten einerseits und geistiger Reife andererseits. Gerald Moore, der eigentlich bereits seit den dreißiger Jahren allgegenwärtig war, profitiert hier von der Erfahrung seines ganzen Künstlerlebens, in dem er unzählige Sänger begleitet hat. Die hier zusammengestellten, zwischen 1958 und 1965 entstandenen Aufnahmen enthalten keine Lieder aus Zyklen Schuberts, sondern ausnahmslos einzelne Werke. Die vielen auch heute noch relativ unbekannten Lieder zu hören ist wie ein Streifzug durch die vielen Bände mit Schubertliedern, wobei jede neu aufgeschlagene Seite eine neue Kostbarkeit zum Vorschein bringt. Das große, mehrteilige Lied "Waldesnacht" zum Beispiel, ein Kraftakt für Sänger und Pianist. Entlegene Tonarten werden in reizvollen Modulationen angesteuert; mal ist die Stimme dramatisch gefordert, wenn es heißt "Rasch die Flamme zuckt und lodert", während das Klavier Blitze zum Himmel schickt. Dann erklingt im weichsten Legato "Ewigs Rauschen sanfter Quellen zaubert Blumen aus dem Schmerz" -- dieser Satz könnte fast eine Art Motto für Schuberts unermüdliches Liedschaffen gewesen sein. --Michael Wersin