Die Werke eines Komponisten wie Helmut Lachenmann sind ein wichtiger Bestandteil der Kunstmusik unserer Tage: Scheinbar selbstverständliche Parameter wie Klang, Rhythmus oder Entwicklung werden hier permanent hinterfragt und dabei in häufig schockierender Weise einerseits zu ihren Ursprüngen zurückgeführt und andererseits gleichzeitig schon wieder in hochartifizieller Weise neu geordnet. Lachenmann ist nicht nur für den Hörer unbequem, sondern verlangt auch sich selbst so manches ab: Wochenlange Experimente mit vier quadratischen Stahlblechen, gelegentliche Verletzungen eingeschlossen, gingen beispielsweise der 1974/75 entstandenen Komposition Schwankungen am Rand - Musik für Blech und Saiten voraus. Lachenmann traktierte das Metall auf jede erdenkliche Weise, um ihm das Spektrum seiner klanglichen Möglichkeiten zu entlocken. Während dieser Beschäftigung begann er nach und nach vor seinem inneren Ohr auch ein Umfeld aus konventionellen Saiteninstrumenten zu hören, das dem Geräuschrepertoire der Bleche einen Rahmen geben würde. Entstanden ist auf diese Weise ein Werk von teilweise beklemmender Intensität und Dichte, welches auch dem aufgeschlossenen Hörer seinen Reichtum nicht sofort preisgibt. Beim zweiten, dritten Hören jedoch gelingt es mehr und mehr, die inneren Zusammenhänge dieser zunächst vielleicht willkürlich, allzu geräuschhaft und fragmentarisch erscheinenden, an keine vertraute Tonalität oder Verlaufsform gebundenen Musik zu erfassen, außerdem auch Korrespondenzen mit Befindlichkeiten in der gegenwärtigen Lebenswelt zu entdecken. Verfremdung von Stimme und Sprache durch Zerlegung von Sätzen und Worten in Silben und Laute ist ein wesentliches Stilmittel in ...zwei Gefühle... (1992): Zwei Sprecher artikulieren sich hier ähnlich zersplittert wie ein Instrumentalensemble aus Bläsern, Streichern und Perkussioninstrumenten. Nach Lachenmanns eigener Aussage geht es dabei um das Wahrnehmen des großen Durcheinanders "der verschiedenen und seltsamen Formen, die die sinnreiche Natur hervorgebracht hat". Peter Eötvös und das Ensemble Modern sind auf dem Gebiet der Neuen Musik erfahrene Künstler, die die Musik dieser CD überzeugend und mit bezwingender Intensität vortragen. Herkömmliche interpretatorische Qualitäten wie Partiturtreue oder klangliche Ausgewogenheit können im vorliegenden Fall selbstverständlich nicht beurteilt oder zum Maßstab gemacht werden. Die fesselnde Wirkung der Musik auf den Zuhörer spricht jedoch für sich. --Michael Wersin