Der fernste Ort (suhrkamp taschenbuch)
Preis 8.90 USD
Ultima Thule, der fernste Ort, fasziniert Julian, den Helden des Romans, seit seiner Kindheit. Und seine (bewusst/unbewusste) Suche nach diesem Ort bedingt eine ständige Flucht -- einen ständigen Versuch, seiner Umgebung zu entfliehen, sein mittelmäßiges, bürgerliches Leben hinter sich zu lassen. Ein inszenierter Schwimmunfall scheint ihm die ultimative Lösung für ein völliges Verschwinden, für einen Neubeginn. Dieser Ausgangspunkt birgt Reminiszenzen an seine Kindheit, seine Jugend. Seltsam fern wie durch einen Schleier scheint Julian sein jüngeres Selbst zu sehen. Die Erinnerung an seine Eltern, an seinen hoch begabten Bruder, in dessen Schatten er immer stand, an eine "normale", bürgerliche, einengende Welt, der er schon als Kind zu entfliehen suchte. Erinnerungen an seine Mutter, die Selbstmord beging, an seinen Vater, der die Familie verlassen hatte -- all diese Ereignisse muten in der Rückschau wie Begebenheiten unter Wasser an, verlangsamt, verzerrt. Julian selbst wirkt wie ein hilfloser Schwimmer, der sich von den Wogen des Lebens passiv hierhin und dorthin treiben lässt. Weder glücklich noch wirklich unglücklich, eher unzufrieden, ein "Mann ohne Eigenschaften", trifft er im Grunde immer nur eine Entscheidung: zu fliehen. Daniel Kehlmann versteht es, den Leser in einen Sog zu ziehen, in ein Spiel mit Fiktion und Realität, das immer undurchsichtiger und undurchschaubarer wird. Je näher Julian seiner letzten Flucht kommt, desto mehr Ereignisse aus der Vergangenheit nehmen in der Gegenwart Gestalt an, scheinen ihm wieder zu begegnen. Und so bleibt die Antwort auf die Frage, ob Julian seinem alltäglichen Dasein wirklich entfliehen kann, oder ob es nur die Fiktion einer Flucht ist, die er erlebt, letztlich dem Leser überlassen. --Lisbeth Legat