Die Nacht der Könige: Roman
Heute ein König. Während die Werbewirtschaft seit Monaten tief in der Flaute steckt und verwöhnte Besserverdienende bei H&M statt bei Gucci und Prada einkaufen müssen, haben Bücher Konjunktur, die in der schicken Welt der Agenturen spielen. Kreative, die es sich leisten können, steigen aus, legen Baby- oder Buchpausen ein: So erreichten uns in der letzten Saison etwa der Insider-Report des französischen Ex-Werbetexters Frédéric Beigbeder (Neununddreißigneunzig) oder die Romane von Rainer Merkel (Das Jahr der Wunder) und Joachim Bessing (Wir Maschine). Auch die Benutzeroberfläche von Stefan Beuses Psychothriller entführt uns in das Milieu der Photoshop- und Flash-Arbeiter: Jakob Winter, Texter der Agentur Oswald & Bell, will seiner Familie in die Sommerfrische folgen, muss sich jedoch noch um die Werbekampagne für ein Klimatechnikunternehmen kümmern. Was, trotz siebenstelligem Etat, zunächst wie ein Routineauftrag wirkt, entwickelt sich für Winter zu einem Horrortrip in die eigene Vergangenheit. Kryptische Informationen lassen ahnen, dass den Firmenchef Korff und dessen junge Assistentin Lilly mehr mit Winter verbindet, als diesem lieb ist. Die Nacht der Könige ist der dunkle Fleck im Leben des Enddreißigers, eine Nacht, an die er sich nur schemenhaft erinnern kann, von der jedoch noch immer eine Bedrohung auszugehen scheint: Ein teures Management-Seminar, in dessen Verlauf Moral- und Wertvorstellungen der Teilnehmer manipulativ aufgeweicht wurden, um an deren Stelle die hemmungslose Entfaltung des eigenen Egos zu setzen -- frei nach der Lehre des Psycho-Gurus Alistair Crowley: "Tu, was Du willst!" Hat Winter, als ferngesteuertes Werkzeug fremden Willens, am Ende gar ein Verbrechen begangen? Dass Beuses Personal ein wenig schablonenhaft angelegt ist und der Autor mit plakativen Effekten nicht spart -- halbverweste Tauben und Risse in der Wand signalisieren: Achtung: Bedrohung! -- schmälert des Lesers Freude an dem solid gearbeiteten Thriller nicht. Er verfolgt, die Schale mit dem Knabberzeug und ein Pils in Reichweite, mit wohligem Schauder, wie sich Jakob Winter immer enger im Netz aus Panik und Paranoia verheddert. Wie gut, dass einem selbst so etwas nie und nimmer passieren könnte. --Niklas Feldtkamp