Der Präsident: Roman (Bibliothek Suhrkamp)
Preis 9.93 USD
Mitte der 80er-Jahre war der Spaß vorbei. Die Neue Deutsche Welle schwappte durch die Republik, ein Fliegengewicht namens Marcus krähte "Ich will Spaß" in den deutschen Sternenhimmel, den bereits Barden vom Schlage eines Hubert Kah für sich vereinnahmt hatten. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, starb eine über allem thronende Band den finanziellen Tod. Ton Steine Scherben, diese deutschen Velvet Underground, eine musikalisch-politische Kampfansage, die sich keinem kommerziellen Diktat unterwarfen, lagen endgültig in Scherben. Plattenfirmen umschmeichelten die radiotauglicheren NDW-Leichtgewichte. Für die einstige Politrockband war kein Platz mehr frei. Nur einer hatte Blut geleckt. Rio Reiser, immer schon der tonangebende Scherben-Frontman, wollte es nun wissen. Freiwillig begab er sich in die Fänge der Industrie, sah sich gar schon als BRAVO-Starschnitt. Ein Trip, der auf tragische Weise enden sollte. Hollow Skais wütend schöner Nachruf liest sich streckenweise wie eine traurige Bestandsaufnahme aus der Rock- und Popwüste Deutschland. Mittendrin ein Romantiker, Idealist und Säufer, zerrieben zwischen den Mühlsteinen einer ignoranten Musikindustrie. Die Geschichte des "Königs von Deutschland", der diese Wüste für eine kurze Saison zum Blühen brachte, gleicht im ersten Teil einen wahren Zeitreise. Von der "Freien Republik Fresenhagen", dem verfallenen Gutshof der Urscherben in Ostfriesland, geht es tief hinein ins Anarcholand der Hausbesetzerszene und eine schon bedrohliche RAF-Nähe -- bis hin zur Gründung der Grünen. Den passenden Ton dazu lieferten jeweils die Scherben. Im zweiten Teil regiert der kommerzielle Gegenentwurf. "Betreut" von chartsorientierten Plattenmenschen, die von den Scherben noch nie gehört hatten und einem fast schon schizophren anmutenden Ausflug ins Schlagerland, nimmt es Wunder, dass solch exzellente Songs wie "Junimond", "Halt dich an deiner Liebe fest" und natürlich der legendäre "König von Deutschland" entstanden. Der schwule Rio war in damaliger Zeit schwer einzuordnen; ein marketingtechnisches Chaos zeichnete sich ab. Der verzweifelte Musiker, der im Starkult ein Zuhause suchte, hielt dessen gnadenloser Banalität letztlich nicht stand. Der Rest waren Depression, Drogen, Suff -- und der viel zu frühe Tod. In heimatlicher Erde in Fresenhagen wurde eines der traurigsten Kapitel deutscher Rockgeschichte begraben.--Ravi Unger