Die lange Heimkehr
Die lange Heimkehr im Titel von Philip Caputos herausragendem neuen Roman beginnt unter äußerst seltsamen Umständen: Im Juni des Jahres 1900 befiehlt Cyrus Braithwaite, ein schroffer Granitmagnat in Neuengland, seinen drei halbwüchsigen Söhnen, den geliebten Schoner der Familie zu besteigen, von ihrem imposanten Sommerhaus in Maine wegzusegeln und erst im September wieder zurückzukehren. Seine einzige Begründung für diese plötzliche Anweisung: "Es ist ein neues Jahrhundert, Jungs." Verwirrt, beschämt, aber auch fasziniert vom bevorstehenden Abenteuer, das ihnen aufgezwungen wurde, verlassen Nathaniel, Eliot und Andrew ihre privilegierte Kindheit und stechen in See. Ihr Ziel -- für das sie sich mehr oder weniger aus einer Laune heraus entschieden haben -- sind die Florida Keys. Ihre Abenteuer brauchen anfangs so ihre Zeit, um sich herauszubilden, aber nachdem die Braithwaite-Jungs den blonden, weltklugen Studienabbrecher Will Terhune anheuern, steigert sich das Tempo erheblich. Nathaniel, der als Skipper dient und auch der naivste und ehrgeizigste der Brüder ist, kommt bei einer Kneipenschlägerei in Manhattan fast ums Leben. Der 14-jährige Andrew, der zur Seekrankheit neigende Rationalist der Familie, entdeckt seine Vorliebe für kaltblütige Gewalt. Nachdem sie vor der Küste South Carolinas in einen Sturm geraten, schafft es ihr beschädigter Schoner mit Müh und Not in den Hafen von Beaufort, den Geburtsort ihrer Mutter, wo eine uralte Tante sie zum Essen einlädt und dunkle Andeutungen auf gewisse Familiengeheimnisse macht. Dann plötzlich, etwa im zweiten Drittel des Romans, der eben noch wie eine gemächliche Geschichte über das Erwachsenwerden erschien, wird aus Die lange Heimkehr ein elementares Drama, als ein Hurrikan das Boot verschluckt und an der trostlosen Küste Kubas wieder ausspuckt. Dies, so stellt sich heraus, ist nur die erste einer ganzen Reihe schrecklicher Wendungen. Mit Die lange Heimkehr schlägt Philip Caputo -- ein früherer Auslandskorrespondent, der sich mit seinem Erlebnisbericht aus Vietnam A Rumor of War einen Namen gemacht hatte -- einen neuen Weg ein, und es gelingt ihm vorzüglich, ein Zeitalter heraufzubeschwören, "in dem sowohl das Bewusstsein des Todes als auch die Hoffnung auf Erlösung in jedem Gesicht geschrieben stand". Gewiss, seine Handlungsgrundlage eines Abkömmlings der Braithwaites, der sich in die geheime Familiengeschichte vertieft, wirkt ein wenig gezwungen. Und ja -- die Charaktere könnten ein wenig mehr Tiefe vertragen. Das tut dem Ganzen aber keinen Abbruch -- Die lange Heimkehr wird ab einem gewissen Punkt unwiderstehlich. --David Laskin