Martin (John Amplas) ist ein moderner Vampir: Er macht seine Opfer nicht durch Hypnose willig, sondern mit Drogen, und statt spitzen Zähnen benutzt er Rasierklingen. „Das hat nichts mit Magie zu tun“, meint er. „Echte Magie gibt es überhaupt nicht.“ Dies sagt er seinem älteren rumänischen Cousin, dem erzreligiösen Tati Cuda (Lincoln Maazel), der als selbsternannter Erlöser von Martin dem jungen Burschen seinen Vampirismus austreiben und ihn anschließend erlösen (also: umbringen) will. Nach eigener Aussage ist Martin 85 Jahre alt – für einen Vampir noch ziemlich jung. Tatsächlich bilden die übernatürlichen Elemente des Films stets einen gewissen Widerspruch zu den psychologischen Erklärungen, dass Martin ein sexuell gestörter Teenager ist und kein altertümlicher Blutsauger. Martins Vampir-Eskapaden werden mit Sepia-farbenen Bildern von ähnlichen Episoden aus einer gotisch angehauchten Ära unterlegt – ob es sich hierbei um Martins Erinnerungen oder seine blühende Fantasie handelt, wird nie geklärt. Knoblauch, Sonnenlicht und Spiegel als Feinde der menschlichen Fledermäuse sind sowieso pure Erfindungen von Hollywood und keine Gefahr für einen modernen Vampir wie ihn, wie Martin als ständiger Telefongast einer Radio-Talkshow erklärt, in der er als „der Graf“ bekannt ist. Genüsslich lässt der Film all diese Widersprüchlichkeiten unaufgelöst, und widmet sich stattdessen lieber dem Verhältnis zwischen dem traditionellen Vampir und dem modernen Psychopathen. Zusammen mit seiner narrativen Stringenz macht diese Ambivalenz Martin zu Romeros Meisterwerk mitternächtlicher Märchen. -- Jim Gay