Girlfriend in a Coma
Jeder hat sich schon einmal die Frage gestellt, wie die Welt wohl in zwanzig oder dreißig Jahren aussehen wird. Was wäre, wenn man heute in ein Koma fallen und in zwanzig Jahren wieder aufwachen würde? Douglas Coupland (1961), offensichtlich fasziniert von dieser Frage, lässt in Girlfriend in a Coma einen Teenager der 70er Jahre in ein Koma fallen und fast zwanzig Jahre später in einer modernen, schnellen Welt wieder aufwachen. Ein Verlangen nach der "guten alten Zeit" ist hierbei nicht zu übersehen, doch außer Melancholie gibt es in diesem fünften Roman des kanadischen Kult-Autors noch einiges mehr. Wie in seinen vorherigen Romanen kreiert Coupland glaubwürdige Figuren, die er, mit etwas Selbstironie ausgestattet, nach ihrem Platz im Leben suchen lässt. Und wie in seinen anderen Büchern tut er das sehr einfühlsam und gleichzeitig witzig-ironisch. Doch die Ironie, bisher Markenzeichen für Coupland, scheint ihm in Girlfriend in a Coma nicht mehr ausreichend. In diesem Buch will der Autor mehr und das wirkt letzten Endes etwas befremdend. Die Geschichte beginnt am 15. Dezember 1979; der Tag, an dem Karen und Richard, beide 17 Jahre alt, sich zum ersten Mal lieben, oben in den Bergen nahe Vancouver, im Schnee. Am Abend gehen sie mit ihren Freunden Wendy, Pam, Linus und Hamilton auf eine Party, auf der Karen nach etwas Alkohol und zwei Valium-Tabletten bewusstlos wird und schließlich in ein Koma fällt. Nach neun Monaten gebärt die regungslose Karen Richards Baby. Das Mädchen, Megan, wächst bei ihren Großeltern auf, während Richard und seine Freunde damit kämpfen, erwachsen zu werden. Nach der High-School löst der Freundeskreis sich mehr oder weniger auf. Wendy, Pam und Linus ziehen weg, getrieben von ihren Idealen und Träumen. Hamilton und Richard bleiben in Vacouver. Hamilton ist ziellos und Richard bleibt bei Karen, besucht sie jede Woche und beginnt mehr und mehr zu trinken. Anfang der 90er Jahre kehren die anderen desillusioniert in die Stadt der gemeinsamen Kindheit zurück: Pam, das ex-drogenabhängige Ex-Supermodel, Wendy, die überarbeitete Ärztin und Linus, der auf langen Reisen doch keine Antworten auf seine Fragen gefunden hat. Alle leben sich wieder ein, finden Arbeit bei einer TV-Produktionsfirma und akzeptieren, dass das Leben eben nicht so läuft, wie man es sich als Teenager erträumt hat. 1996 wacht Karen überraschend aus ihrem Koma auf: eine 34-jährige, die geistig jedoch ein Teenager ist, wie ihre Tochter Megan. Die unwissende Karen wird von ihren Freunden über die Welt der 90er Jahre aufgeklärt: Computer, schnurlose Telefone, Faxapparate. Alles ist schnell, effektiv und neu. Karen ist schockiert: "But what about you -- are you new and improved and faster and better, too? I mean as a result of your fax machine?" Er wolle mit diesen Buch, so meint er in einem Interview, die Leser aufrufen, Fragen zu stellen und sich um ihre Umgebung zu kümmern. Das ist nett gemeint, nur erinnert seine angebotene Lösung zu sehr an religiöse Besessenheit. Oder sind es nur übertriebene Hippie-Ideale? Egal, es bleibt nur zu hoffen, dass Coupland die Welt in seinem nächsten Roman nicht noch mehr verändern will. Man kann ihm diesen lächerlichen Schluss jedoch verzeihen, denn letzten Endes ist auch dieses Buch ein exzellenter Coupland. Der Stil: locker, packend und gefühlvoll. Die Story: zum Nachdenken über Ideale, Freundschaft und den Sinn des Lebens. Vielleicht nur für Liebhaber, dafür aber stellenweise vom Feinsten.