Seefieber
In den Yachthäfen sieht man sie kaum noch, die kleinen Boote. Wir sind ein reiches Land. Wenn heute jemand im Mini-Fahrzeug auf Langfahrt geht, dann um der Sensation willen, um Sponsorengelder zu kassieren und die Aufmerksamkeit der Medien. Rollo Gebhard wählte einst Jollen und Kleinstkreuzer aus Geldmangel. Wie war das erste Mal? Toll. Mit der Freundin in der Jolle über die Adria und die Türme Venedigs tauchen über den Horizont. So müssen Anfänge sein. Ganz jung ist er da schon nicht mehr, sechs Jahre Krieg liegen hinter ihm, mit unkonventionellen Dingen verdient er sein Geld im Nachkriegsdeutschland, als Schauspieler am Kurtheater und Inhaber eines Plattenladens... Wann ist ein Buch gut? Zum Beispiel wenn der Leser wünscht es wäre länger. Hier ist das oft der Fall. Manche Episode bekäme man gern ausführlicher erzählt. Der Band macht Appetit auf die übrigen Titel des Autors Rollo Gebhard. Wann ist ein Buch hilfreich? Wenn der Leser etwas Brauchbares erfährt, das er nur hier finden kann und das sonst nur die schmerzvolle Erfahrung lehrt: "Die gefährlichsten Minuten für ein kleines Boot sind die, in denen der Wind, wenn er kräftig geblasen hat, nachzulassen beginnt!" Zuvor nämlich hat der Wind die Wellenhöhe gedrückt. Jetzt bilden sich ohne Vorwarnung -- "man hört es nicht, man sieht es nicht" -- gefährliche Brecher. Ein schönes Buch. Zu lesen am besten unter Segeln vor weitem Horizont oder in der Ankerbucht, keinesfalls jedoch im Lärm der Yachthäfen: Sie bekommen dann nämlich garantiert schlechte Laune! --Michael Winteroll