Trabanten: Roman

EAN/UPC/ISBN Code 9783492043816

Marke Piper

Ich will Spaß, ich geb Gas! "Ein Heulen kommt über den Himmel" -- erinnern Sie sich noch an den berühmten ersten Satz in Thomas Pynchons Gravity"s Rainbow (deutscher Titel: Die Enden der Parabel)? Durch Falko Hennigs Roman heult zunächst keine V2-Rakete, sondern der versammelte Fuhrpark der DDR: Stinkende Zweitakter, vom braunorangen Trabant Kombi der Mutter über Vaters "Troll"-Motorroller bis zu Opas Saporosch. Ein Jahrzehnt nach dem Erfolg der Kino-Klamotte Go, Trabbi, go! tuckern wir auf holperigen Reichsautobahnen durch die Geschichte der DDR. Kein Zweifel: Ein Land, in dem man 20 Jahre auf seine "Rennpappe" warten musste, war zum Untergang verurteilt. Hennig, nach seinem Erstling Alles nur geklaut einem größeren Leserkreis durch die Erzählung "Trabantverleih" in dem von Wladimir Kaminer herausgegebenen Band Frische Goldjungs bekannt geworden, baut die Story in seinem zweiten Roman zur Geschichte einer Jugend im Osten und der ersten, wild bewegten Nachwendejahre aus. Hennings Held Henry Täufler ist von Autos besessen -- kein Wunder, denn seine Wiege steht in Ludwigsfelde, jener Stadt am Rande Berlins, der die Welt den Lastkraftwagen W 50 zu verdanken hat. Schule, Armee, Fahrzeugschlosserlehre -- Täuflers Reife zur "allseits entwickelten sozialistischen Persönlichkeit" ist eine einzige Führerscheinprüfung. Ausgerechnet am 9. November 1989 kauft er sich seinen ersten Trabant. Dass der nach dem Mauerfall nur noch eine Tankfüllung wert ist, ficht Täufler nicht an -- hat er doch in dem ächzenden Gefährt seinen ersten Sex. "Zweitaktersex", um genau zu sein -- unser Held kommt nur bei laufendem Motor. Hätte Hennig es wie seine Kollegen Thomas Brussig (Helden wie wir), Jakob Hein (Mein erstes T-Shirt) oder André Kubiczek (Junge Talente) bei der pointensatten Schilderung ostdeutschen Alltags belassen, wären seine Trabanten pannenfrei -- und für den Leser unterhaltsam -- über die Distanz gelaufen. Doch der Autor will mehr: Da im Ludwigsfelde der 30er-Jahre auch die Karriere des Raketenkonstrukteurs Wernher von Braun ihren Anfang nahm, montiert er dessen Geschichte in den Mittelteil des Romans. So geht es von der Avus, auf der von Braun mit Speer und Hitler im Cabriolet entlangdüst, über Peenemünde, Fort Bliss und Huntsville/Alabama direkt auf den Mond. Hennigs Plot kommt bei solch kühnem Griff nach den Sternen unter die Gürtelreifen -- ein preiswertes Malheur. Die Amerikaner kostete es immerhin 25 Milliarden Dollar, um auf dem Erd-Trabanten mit drei Autos die Gesamtstrecke von 90 Kilometern zurückzulegen. --Niklas Feldtkamp