Disco! Oh man, was da für konfuse Erinnerungen zwischen Verfluchungen, offenem Hass und auch kleinen Liebeserklärungen aus den dunklen Tiefen des Hirns nach oben gespült werden. Gerade auf dem flachen Land konnten Rocker Punks nicht ausstehen, die verachteten Popper und beim Gros der von Schlagern sozialisierten Eltern gab es außer ignoranten, unentschuldbaren Schimpfwörtern wie „Negermusik“ und „Hottentottenmusik“ kaum Hilfe. Warum eigentlich? War doch alles nicht einmal halb schlimm, zumindest beim Hören der herrlich zusammengestellten Kompilation Deutschland Disco Deutschland nicht. Das sich ungefähr 1975 verselbstständigte Genre brachte natürlich ein paar Gestalten wie Bonney M., Milli Vanilli oder Modern Talking hervor und wurde in Deutschland von den Superproduzenten Frank Farian und Giorgio Moroder insbesondere von München aus dominiert. Diese besonders aus Pop, Soul, Funk, Jazz und Phillysound verlötete Musik brachte neben unzähligen, platten Gassenhauern und Katastrophen auch hörenswerte, oft nur in coolen Clubs gespielten Kuriositäten hervor. Dazu gehört das unverzichtbare, zeitlos gute auf natürlich auch auf Deutschland Disco Deutschland vertretene „Lovemachine“ (Supermax) nicht, aber welcher doofe Dorf-DJ traute sich schon an Peter Herbolzheimer, Carsten Bohn oder das unerklärlich übersehene James-Last-Meisterwerk Well Kept Secret? Und Berry Lipmans Single „Sex World“ dürfte damals so schwierig auftreibbar gewesen sein wie heute. Dieser mit vielen hilfreichen Informationen versehenen CD gelingt nicht nur eine klasse Mischung aus Mainstream, Rarem und Abseitigem, Deutschland Disco Deutschland dürfte etliche Disco-Hasser eines Besseren belehren. --Sven Niechziol