Die Kunst der Augentäuschung

EAN/UPC/ISBN Code 9783791331621

Marke Prestel

Das alte Griechenland steckt voller schöner Geschichten. Eine handelt vom Wettstreit der beiden Maler Zeuxis und Parrhasios, die darum stritten, wer die dreidimensionale Welt am realistischsten auf die zwei Dimensionen eines Malgrunds bannen könne. Im Zuge des Duells malte Zeuxis derart täuschend echt wirkende Trauben, dass die Vögel versuchten, sie aufzupicken. Als Parrhasios sein Werk präsentierte, war Zeuxis so neugierig, dass er einen Diener gebeten haben soll, den Vorhang davor wegzuziehen. Man kann sich seine Überraschung vorstellen, als der Diener frische Farbe in den Händen hielt: der Vorhang war gemalt. Zwar hatte Zeuxis die Tiere gefoppt, Parrhasios jedoch einen kundigen Kollegen. Klar, dass ihm der Preis gebührte. Seit Zeuxis und Parrhasios haben Maler immer wieder versucht, ihr Geschick und Talent durch täuschend echte Bilder unter Beweis zu stellen. Trompe-l’oeil nennt man diese Kunst der Augentäuschung gemeinhin, die sich vor allem auf plastisch dargestellte „Gegenstände“ und Quodlibets (auf „Holzplatten“ befestigte Briefe, Zeichnungen, Schreibutensilien etc.), vorgetäuschte Kunstwerke (inklusive der Abbildung des davor befindlichen zersprungenen Glases), Scheinarchitektur und irritierend echt wirkende Menschen erstreckt. Letzteres ist auch der Grund, warum Eckhard Hollmann und Jürgen Tesch den Begriff bis hin zu den US-Polizisten, Touristen und Einkaufswagen schiebenden Hausfrauen von Duane Hanson ausdehnen -- und darüber hinaus. Denn ihr Band endet mit einem Kunstwerk des 39-jährigen Künstlers Pierre Joseph, in dem 2003 ein lebender Mensch seinerseits eine Skulptur verkörpert hatte. Dazwischen finden sich klassische Trompe-l’oeil-Malereien in der Tradition von Zeuxis und Parrhasios, wie die Trauben von Georg Flegel oder ein Blumenstillleben des Adriaen van der Spelt aus dem 17. Jahrhundert, das hinter einem -- natürlich gemalten! -- Vorhang halb verborgen ist. Gemeinsam mit den klugen Kurztexten, die jedem der über 90 Beispiele beigegeben sind, macht der Band so deutlich, wie abwechslungsreich die Kunst der Augentäuschung durch die Jahrhunderte funktionierte -- und bis in unsere Tage funktioniert. --Thomas Köster