THE AMERICANS
Mitte der 50er-Jahre in einem Aufzug in Miami Beach. In einen Gedanken verloren oder ihn noch suchend blickt das Liftgirl an die Decke des Fahrstuhls. Die Anzeige der Zieletage leuchtet bereits. Gleich wird sich die Tür schließen. Robert Franks Bildband The Americans erschien 1958 in Frankreich, ein Jahr später in den USA. 83 Schwarzweißfotografien zeigen Menschen und Szenen aus Amerika, die Frank in den Jahren 1955/56 im Rahmen eines Stipendiums der John Simon Guggenheim Foundation während einer Reise durch die 48 Bundesstaaten abgelichtet hatte. Eine Aufnahme zeigt einen Mann in einer Bar in Las Vegas vor einer Jukebox stehen. Eine andere den Blick aus einem Hotelfenster in Butte, Montana. Eine weitere ein Autokino in Detroit. Franks Fotos sind unmittelbar, offen und unabgeschlossen. Sie vermitteln immer auch etwas Gewöhnliches, was den Mythos vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten entschleiert und beim Erscheinen des Buches in Amerika heftige Reaktionen auslöste. Dennoch oder gerade deswegen wurde The Americans stilbildend und inspirierte eine ganze Generation vor allem amerikanischer Fotografen. Robert Frank wurde 1924 in Zürich geboren und wanderte 1947 in die USA aus. Dort war er zunächst als Mode- und Werbefotograf sowie als Fotojournalist tätig. Durch Walker Evans inspiriert und unterstützt, erhielt er Mitte der 50er-Jahre als erster Europäer das Guggenheim-Stipendium. Seit den 60er-Jahren arbeitet er zunehmend mit dem Medium Film, auf das er in seinem fotografischen Spätwerk immer wieder Bezug nimmt. In einem einleitenden Text zu The Americans schreibt Jack Kerouac, einer der bekanntesten Autoren der Beatgeneration: "Wer diese Bilder nicht mag, mag auch keine Gedichte..." Mit seiner rasanten Sprache erweckt er die Fotoaufnahmen Franks zum Leben und stellt letztendlich die Frage: "Das liebe kleine einsame Liftgirl, das in einem Aufzug voller Schemen seufzend nach oben blickt, wie ist ihr Name und wo wohnt sie?" --Stefan Meyer