Hildegard Knef trifft Gustav Mahler

EAN/UPC/ISBN Code 28947155027


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Es war ihre Art zu sprechen, der Tonfall ihrer Stimme, der bis zuletzt faszinierte -- dunkel, schnoddrig, spröde und heiser von Millionen von Zigaretten und vielen privaten Heimsuchungen. Und so nannte man Hildegard Knef (1925-2002) auch "die größte Sängerin ohne Stimme". Mit Chansons wie "Berlin, dein Gesicht hat Sommersprossen" oder "Heimweh nach dem Kurfürstendamm" gab sie wie kein anderer Künstler zu Zeiten des Kalten Krieges das ambivalente Lebensgefühl einer geteilten Stadt wieder. Als Schauspielerin und nicht minder begabte Schriftstellerin feierte sie große Erfolge. Für klassische Musik schien sie sich zunächst nicht begeistern zu können. Bei Beethovens Fidelio wäre sie als Kind fast eingeschlafen und die Liszt"schen Preludes ließen in ihr Erinnerungen an das Dritte Reich aufkommen. "Goebbels spricht, schreit von Vorsehung, Gerechtigkeit, vom Endsieg, der Wende, der grossen Wende...", schreibt sie in ihrer Autobiografie Der geschenkte Gaul. Es war Wilhelm Furtwängler, der sie eines anderen belehrte. "In der Philharmonie hatte ich ihn gesehen, er hatte Beethovens Fünfte dirigiert, die Sirenen hatten geheult, die Flak hatte geschossen, er hatte weiter dirigiert und das Publikum war sitzen geblieben." Dass Hildegard Knef ausgerechnet zu Gustav Mahlers Musik eine intensive Beziehung entwickelte, ist nicht verwunderlich. Mahler gehört zu jenen Künstlern, denen gegenüber es keine Gleichgültigkeit geben kann. Während der eine ihn überspannt, maßlos, übertrieben, ja hysterisch findet, verfällt der andere ihm, leidet seine Leiden, kämpft seinen Kampf, versteht seine Einsamkeit, liebt seine unstillbare Schwermut. So wohl auch die Knef. "Ich bin keine Mahler-Expertin, aber er ist der Komponist, den ich im Laufe der Jahrzehnte immer wieder gehört habe, ohne dass es langweilig wurde. Der, der mich immer wieder berührt hat." Auf zwei CDs stellt Hildegard Knef Sätze aus fast all seinen Symphonien vor. Viele werden von dem Mahler-Propheten Rafael Kubelik dirigiert. Auch das berühmte "Adagietto" ist dabei, das vielfach als Filmmusik mehr oder weniger überzeugend eingesetzt wurde und hier von dem Philharmonia Orchestra unter der Leitung von Giuseppe Sinopoli musiziert wird. Zudem gibt es ein Wiedersehen mit dem fabelhaften Dietrich Fischer-Dieskau (Rückert-Lied: "Um Mitternacht" und zwei Titel aus "Lieder eines fahrenden Gesellen") und der wunderbaren Edith Mathis. Aber auch die jüngere Sängergeneration ist vertreten: unter ihnen Anne Sophie von Otter und Bryn Terfel. Besonders interessant, weil nicht oft zu hören, erscheint mir Mahlers Jugendwerk, der Klavierquartettsatz in a-Moll, der hier von der Kremerata Musica (Oleg Maisenberg, Gidon Kremer, Veronika Hagen und Clemens Hagen) gespielt wird und erst 1964, fast 90 Jahre nach seiner Enstehung, uraufgeführt wurde. Schade, dass Hildegard Knef, die so wortgewaltig und schriftstellerisch begabt war, ihren Text für das Booklet nicht mehr hat fertig stellen können. Kleine Anmerkung am Rande: Dass Mahler -- wie das Booklet behauptet -- eine "kaum abreißende Kette von Liebesaffären" hatte, stimmt nun beim besten Willen nicht und trifft eher auf seine Gattin Alma zu. --Teresa Pieschacón Raphael