Ein riesiger Berg bricht auf. Die Farbe des Himmels ist aufgewühlt, voller Licht -- ein erstes Bild. Die CD Antiguo von Gonzalo Rubalcaba gleicht einer apokalyptischen Fantasie, einer Reise an die Grenzen unseres Planeten, einer gewaltigen Sprengung des Diesseits. Uralte rituelle Gesänge aus Kuba stehen neben Segmenten atmosphärischer Meditation und werden von einem wuchtigen Fundament attackierender High-Tech-Fusion getragen. Experimentell ist diese kolossale Musik, arbeitet mit dem Besten, was elektronische Klangerzeugung zu bieten hat, wagt sich in unerhörtes Gelände rhythmischer Urgewalt. Irrwitzige Klanggewitter, unbändige perkussive Blitzgeschosse, bedrohliche Bilder, gleißendes Licht, bebende Luft, Vulkanausbrüche und dunkle, ruhende Gewässer, rasende Läufe, komprimierte Energie, ein exzessives Kräftemessen zwischen Form und Zerrissenheit, messerscharfen Akzenten und gemeinsamem Puls. Alles an dieser hochkomplexen Musik ist bis ins kleinste Detail auskomponiert, abgesehen von einigen klar definierten Improvisationsstrecken. Rubalcabas Arbeit an Klavier und Keyboard bildet die Basis für die Jazz-Rock-Variationen des Cuban Quartets, für Julio Barretos Donnerschläge, Reynaldo Melians heroische Trompetensignale und den rhythmischen Geisterfahrer Felipe Cabrera am Bass. Das stürmische Album des kubanischen Klaviervirtuosen ist die vorläufige Spitze seiner Arbeit im Umfeld von elektrischem Jazz, Folklore und europäischer Klassik und ein Exempel für die Zusammenführung von Groove und Kontrast. --Katharina Lohmann