Natürlich die Schweizer!: Neues von Paul Nizon, Ruth Schweikert, Peter Stamm u.a.

EAN/UPC/ISBN Code 9783746618746


Eins vorab, weil es so aufmerksam und selten ist: Für einmal lautet das ABC der Autoren von Zschokke bis Angele. Das heißt aber nicht, dass in der vorliegenden Anthologie alles anders ist. Natürlich die Schweizer versammelt Texte von 20 Autoren (junge, neue, bekannte, ältere), die sie im Winter 2001/2002 in der Berner Spysi, einer Speiseanstalt, gelesen haben. Im Vorwort stellen die Herausgeber die Frage: Macht Literatur aus der Schweiz süchtig? Auch diese Antwort vorneweg. Natürlich! Nur nicht gerade alle. Ein Highlight der Sammlung ist sicher die Geschichte "Reiseleiter" von Guy Krneta, geschrieben auf breitestem Berndeutsch, so dass sogar Zürcher dankbar sind für die hochdeutsche Übersetzung. Ein Beispiel gefällig? "Aber einisch syg"r em Flughafe gschtangen u heig syni Gruppe nümm gfunge. E Reiseleiter ohni Gruppen em Flughafe. Da chömme me rächt i ds Zwyyfle. Und uf d Wäut. Wie weni dass me syg ohne Gruppe. U mit Gruppe -- aus." ("Aber einmal habe er am Flughafen gestanden und habe seine Gruppe nicht gefunden. Ein Reiseleiter ohne Gruppe am Flughafen. Da komme man schon ins Zweifeln. Und wieder auf den Boden. Wie wenig man sei ohne Gruppe. Und mit Gruppe -- alles.") Dies gilt auch für das schmale Bändchen, das als Gruppenwerk taugt, als Einblick und Überblick in die vor allem neuere Schweizer Literatur. Da muss es zwangsläufig zu Qualitätsunterschieden kommen. Peter Weber hat mit einem Text aus seinem neuen Buch seinen Ton gefunden und auch hart daran gefeilt. Paul Nizon, der Letzte der ganz Großen, lässt die Leser mit seinem reflektiven Text aus den Journalen an seinem Innenleben teilhaben. Lukas Bärfuss oder Michael Angele überzeugen durch genaue Beobachtungen. Anderen Texten merkt man die Suche nach Stil und Inhalt noch zu stark an. Dies ist gerade bei den Gedichten offensichtlich, wenn ein verantwortungsvoller und hochklassiger Künstler wie Armin Senser auf Michael Stauffer trifft, auf den gereimten Nonsens von Raphael Urweider und Nicolai Kobus, auf die Weltreise eines Jürg Halters. Natürlich die Schweizer belegt einen Augenblick, ist ein Kapitel des "work in progress", genannt Schweizer Literatur. Und deshalb gehört es in jede Bibliothek, damit es zur Wegmarke noch vieler kommender Werke wird. --Martin Walker