Neugier und leuchtende Augen sind erwünscht: Stefan Winter, seit 1995 Chef von Winter&Winter, lässt die Schätze aus dem Sack, mit denen einst alles begann. 1985 nämlich gründete Winter das Label JMT Productions, um jungen, innovativen Künstlern ein neues Forum zu bieten. Künstler, die heute von der Szene nicht mehr wegzudenken sind: Bob Stewart, Greg Osby, Cassandra Wilson, Jean-Paul Bourelly, Steve Coleman, Joey Baron, Robin Eubanks -- sie alle feierten ihre Debüts bei JMT. Viele Alben dieser Ära, wichtige Dokumente aus zehn Jahren zeitgenössischem Jazz (1985-1995), sind seit langer Zeit nicht mehr erhältlich. Nun wird der gesamte Katalog nach und nach wiederveröffentlicht, alles remastered und auf den neuesten technischen Stand gebracht. Nicht nur musikgeschichtlich relevant, sondern auch ein himmlischer Spaß ist das: Steve Colemans erste CD Motherland Pulse (1985) schürt Abenteurergeist und Forscherinstinkt. Was hat er damals anders gemacht? Ganz klar steht dieses impulsive Werk noch in der Tradition der übermächtigen Breckers: swingender Modern Jazz und Jazzrock, mit Akustik-Bass, Klavier und Schlagzeug. Erstaunlich viel Kammermusikflair, sogar eine klassische Ballade hat der ansonsten so eigenbrötlerische Amerikaner komponiert. Und doch zieht Colemans Freigeist hier bereits deutlich seine Bahnen. Mit brillant geschmeidiger Technik und blumigem Ansatz, mit dem er dem Altsaxofon die Süße eines Soprans einhaucht, wirft er melodische Schrägen und Kanten ins Spiel, die bis heute typisch sind für seinen Stil. Cassandra Wilson singt hier vielleicht ihr erstes Avantgarde-Thema. Das Titelstück verweist mit durchlaufendem Puls und nur einem Grundton als Basis auf kommende Tage. Geri Allen am Klavier verblüfft mit rhythmischer Eleganz, und Marvin "Smitty" Smith (Schlagzeug) swingt sich schon mal auf ungerade Taktarten ein. --Katharina Lohmann