Eigentlich ist er Physiker und Hobby-Bergsteiger. Aber wer im Epizentrum des brasilianischen Popmusik-Geschehens aufwächst, kann der auf Dauer um eine eigene Musikerkarriere herumkommen? Caetano Velosos Sohnemann hat sich Zeit gelassen. Mit dem Vater und Carlinhos Brown sammelte er tourend Europa-Erfahrungen, hat als Jugendlicher klassisches Piano studiert und tritt nun als 27-Jähriger mit einem in jeder Hinsicht erstaunlichen Debüt auf. Das sonnig-swingende "How Beautiful Could A Being Be?" ist uns noch aus dem Spot eines bekannten Sportartikelherstellers im Ohr, als erster Vorbote seiner hier umgesetzten Klangwelt. Mit denkbar minimalistischen Mitteln, nämlich zwei Kumpels aus experimentellen Rockprojekten, Domenico Lancelotti (Drums, Perkussion) und Kassin (Bass, Produktion) sowie vereinzelten Gästen wie dem Jobim-Enkel Daniel zaubert er in bester Familientradition ein vielfarbiges, kantiges und zugleich geschmeidiges Tropicalisten-Universum. Hymnischer Schmelz mit Cello ("Sertão") öffnet den Vorhang, Bossa-Andeutungen, unterstützt durch gestopfte Bläser schließen an ("Deusa De Amor"). Bald aber stolpern sperrige Sprach- und Soundspielchen ins Geschehen, als ob Arto Lindsay sein Vetorecht eingelegt hätte ("Enquanto Isso" und "Das Partes"). Verbrämte Exotismen in Gestalt einer Tabla in balladesker Umwelt tauchen auf und schließlich freut sich das Tanzbein über swingende Nummern wie "Rio Longe", in deren rockigen Kontext auch Erinnerungen an die Trommler Bahias aufkommen. Mit einem bezaubernden Wiegenlied, das Caetano dem kleinen Moreno einst des Abends vorgesungen hat, neigt sich dieses Meisterdebüt aus der neuen brasilianischen Generation dem Ende entgegen. Mehr Verbeugung vor dem Papa hat der Nachwuchs auch nicht mehr nötig. --Steffan Franzen