Kante Plays Rhythmus Berlin
Preis 34.69 USD
Ob bei Menschen oder Musik; fast immer sind es die ersten Augenblicke einer Begegnung, die ausschlaggebend für alles Weitere sind. Auf Kante plays Rhythmus Berlin gelingt es Sänger Peter Thiessen mühelos diese Situation gleich zu Beginn für sich zu entscheiden. Der von ihm gesprochene Prolog entfaltet Sogwirkung bezüglich der folgenden Stücke dieses Albums. “Es pocht, es flackert, stockt und rast: Der Rhythmus einer großen Stadt“ beschreibt Thiessen und stellt die entscheidende Frage: “Will ich raus und mit ihm gehen, mich in seinem Strom verlieren, finde ich meinen eigenen Takt?“ Eine Frage, die sich auch Regisseur Walther Ruttmann vor 80 Jahren gestellt haben dürfte, als er seinen Stummfilm “Sinfonie der Großstadt“ drehte, der jetzt als Vorlage für die Revue “Rhythmus in Berlin“ dient. Merkwürdig: Während dieses Sujet Ruttmann seinerzeit zu etwas Neuartigem inspirierte, nämlich zu einer modernen, schnelleren Bildsprache um den Trubel der Großstadt zu charakterisieren, animiert diese Thematik heutzutage Regisseure wie Thomas Münstermann eher zu einer gemütlich-nostalgischen Revue in plüschigem Ambiente. Wie auch immer; -als es um Musik und Texte ging, kam glücklicherweise Peter Thiessen von der Band Kante mit ins Spiel. Neugierig textete und komponierte er einige Songs, die so gut gelangen, dass er das Bedürfnis verspürte, sie unabhängig von Show-Rummel und Gala-Orchester in seine eigene musikalische Sprache zu übersetzen: Das Resultat ist Kante plays Rhythmus Berlin. Herausgekommen sind 8 Stücke, die wirken wie aus einem einzigen Guss. Überraschenderweise präsentieren sie eine völlig andere, jedoch nicht minder spannende Seite der Band Kante; weniger rockig, zuweilen beinahe schon chansonhaft, wie der Song “Trotz all der Zeit“ mit seiner Solo-Gitarrenbegleitung. Freude am Musikmachen anstatt endloser Klangtüftlerei stand beim Einspielen dieses Albums im Vordergrund, deutlich zu hören am geradezu intimen Zusammenspiel aller Bandmitglieder. Das schließt den Einsatz elektronischer Klänge keinesfalls aus, doch fügen sich diese eher ergänzend in den musikalischen Gesamteindruck ein. Es ist stets mutig und nie ohne Risiko, wenn Musiker sich einem anderen Metier zuwenden, als jenem, dem sie ihren Erfolg verdanken. Wie hervorragend es gelingen kann, nämlich wenn eine Indie-Pop-Band sich Country-, Folk- und Chansonelemente bedient, beweisen Songs wie “Ich schlag nicht mehr im selben Takt“, im souveränen Arrangement für Bandoneon, Gitarre, Bass und Klangholz. Die Jungs von Kante erweisen sich als souveräne Melancholiker. Auch wenn das Cover mit Showtreppe und Revuegirls irreführend ist: Kante plays Rhythmus Berlin ist ein unprätentiöses Kammerspiel, das gänzlich ohne Effekte auskommt und gerade deshalb umso stärker ist. Andreas Schultz