Man muss nicht gerade ein Gelehrter oder Fanatiker für frühe Musik sein, um diese Aufnahme uneingeschränkt und in vollen Zügen genießen zu können. Man schließe die Augen und lasse die warmen Stimmen, die fließenden Linien und weichen Harmonien über sich hinwegströmen. Ja, es ist religiöse Musik, bestimmt zur Ehrerbietung -- ihre Spiritualität ist nicht zu leugnen. Die lineare Entwicklung dieser Klänge bewegt sich nicht so stilecht, gradlinig und gebieterisch wie die später entstandene Musik von Byrd, Tallis, Palestrina oder Victoria. Gleichwohl projiziert diese Musik einen absolut sicheren Sinn für melodische Bewegung und harmonische Bestimmung. 1997 war der 500. Todestag des flämischen Komponisten Johannes Ockeghem. Viele seiner Kompositionen gerieten beinahe in Vergessenheit. Gerade was sie auszeichnet wird vielfach als "Mangel an formaler Konsistenz" kritisiert. Ob das gleichzeitig die Bezeichnung "schlecht" verdient, mag nur dem Musikwissenschaftler nicht egal sein. Der wirklich herrlichen Capella Alamire gelingt es, ihren Gesang beinahe nahtlos zu phrasieren, perfekt und ausgewogen klingen zu lassen. In ihren Händen schallt es für den Rest von uns reich koloriert. Mit tief empfundenem Ausdruck für Schönheit werden die heiligen Texte der Messe in himmlische Höhen gehoben. --David Vernier