Madame Mao (Taschenbuch) / Anchee Min

EAN/UPC/ISBN Code 9783426624661


Die Person Jiang Qings, der dritten und letzten Ehefrau Mao Zedongs, ruft bis heute irritierende Reaktionen hervor. In der Volksrepublik China gilt sie nach dem Sturz der so genannten Viererbande -- eine Bezeichnung, die Mao auf eine Gruppe linksgerichteter Politbüromitglieder um Jiang Qing prägte -- als die Volksverräterin schlechthin. Am Ausbruch und Radikalisierungsprozess während der Großen Proletarischen Kulturrevolution 1966-69 hatten Mitglieder der Viererbande in der Tat einen wesentlichen Anteil, doch lässt sich der kanalisierte Hass nicht allein dadurch erklären. Jiang Qing geriet in die Rolle eines Sündenbocks, der für viele der Fehlentwicklungen des späten Maoismus verantwortlich gemacht werden sollte, derweil man den großen Vorsitzenden aus der Kritik halten wollte. Schließlich bedurfte es seiner Person als Legitimation für ein Weiterregieren der Kommunistischen Partei in China. Anchee Min, kurzzeitig Schauspielerin in Jiang Qings Shanghaier Filmstudios, unternimmt in ihrem provokanten Roman Madame Mao den Versuch, hinter die Fassaden dieses "Weiße-Knochen-Gespenstes" zu blicken. Sie zeichnet den Lebensweg der späteren First Lady nach, die, aus ärmlichen Verhältnissen in der Provinz Shandong stammend, im Shanghai der 30er-Jahre eine bescheidene Karriere als Schauspielerin macht, bis sie schließlich in der kargen Lösslandschaft Yan"ans auf den Mann trifft, der ihr Leben verändern soll, auf den Hunaner Bauernsohn Mao. Das Bestreben der Autorin, die Geschichte Chinas aus der Sicht Jiang Qings zu erzählen, ist ein Versuch mit Licht und Schatten. Die Perspektive wechselt unaufhörlich zwischen der Eigenwahrnehmung Madame Maos, Fremdwahrnehmungen und Wertungen der Autorin. Dies mag ein reizvolles Stilmittel sein, um die Vielschichtigkeit ihrer Romanheldin und den Rollencharakter ihres Lebens zu demonstrieren, aber es mindert den Lesefluss vor allem zu Anfang. Mit dem Auftreten Mao Zedongs gelingt es der Autorin jedoch zunehmend, die politische Geschichte des Landes mit der persönlichen Liebesgeschichte Jiang Qings zu verknüpfen und vermittelt dadurch einen spannenden Einblick in die Entscheidungsstrukturen der maoistischen Volksrepublik. Eine realistische Neubewertung Jiang Qings ist in der Tat zu begrüßen, und Anchee Mins Roman ist als Anstoß hierfür zu verstehen. --Daniel Leese