Werden in Mexiko Schwermut und Lebenslust in Töne gegossen, so gerinnen sie im Idealfall zu den leidenschaftlichen Liedern einer Lila Downs. Die Musik dieser großartigen Künstlerin aus Oaxaca bewegt sich zwischen den melodramatischen Rancheras der Kultsängerin Chavela Vargas und den inspirierenden Folk-Chansons der Newcomerin Lhasa. Nach Tree Of Life präsentiert Lila Downs nun ihren zweiten internationalen Longplayer voller ergreifender Songs, die ein breites emotionales Spektrum von Freude, Wut, Trauer und Nostalgie zum Ausdruck bringen. Erneut schöpft sie dabei aus dem großen Reichtum indigener Melodien und Rhythmen. Neben dem kubanisch angehauchten "Sale Sobrando" unterstreichen vor allem die Cumbia "Hanal Weech" in der Sprache der Maya oder das superbe "La Llorona" -- ein Volkslied aus präkolumbianischer Zeit, welches eine männermordende Sirene besingt -- Lilas profunde Kenntnis der landestypischen Stile. Auf "La Linea" nimmt die Künstlerin außerdem zu einem Thema Stellung, das ihr unter den Nägeln brennt. Für Lila selbst ist die Grenze zu den Vereinigten Staaten eine Verbindungslinie, stammt doch ihr Vater aus den USA und ihre Mutter aus Mexiko. Für die Mehrheit ihrer hispanischen Landsleute aber ist es die Trennmauer zu einem besseren Leben. Ohne erhobenen Zeigefinger verknüpft der packende Titel-Song die altmexikanische Philosophie von der Vergänglichkeit der Welt mit einer Kritik an den bestehenden sozialen Verwerfungen der materialistischen Moderne, wie sie insbesondere an der geografischen Grenze zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden zu Tage treten. Und ihre meisterliche Latin-Adaption von Woodie Guthries mosaischer Verheißung "This Land Is Your Land" vermittelt den bitteren Beigeschmack, den all diejenigen dabei verspüren müssen, die sich an den Schaufenstern zum gelobten Land nur die Nase platt drücken können. --Wolfgang Zwack