The Calling
Preis 15.49 - 22.68 USD
In den letzten Jahren hat sich Mary Chapin Carpenter--einst eine der vielversprechendsten Vertreterinnen von Nashvilles Folk-Minderheitsfraktion ("Down at the Twist and Shout", "I Feel Lucky")--von jeglichen Ambitionen verabschiedet, sich in den Country-Charts zu etablieren. Von fremden Zwängen befreit, kann Carpenter nun wieder sein, was sie eigentlich immer war: eine Autorin und Interpretin akustischer Songs mit starken Texten. Das 2004 erschienene Between Here and Gone verband auf meisterhafte Weise einfühlsame Kommentare zu den gesellschaftlichen Nachwirkungen des 11. September mit Carpenters Gedanken darüber, wie sich ihr eigenes Leben als verheiratete Frau im ländlichen Virginia veränderte. The Calling knüpft an dieses Album an. Mit dabei sind wieder der Pianist und Koproduzent Matt Rollings sowie andere altbekannte Musiker, etwa John Jennings, der Carpenter vor rund 20 Jahren half, ihren eigenen Sound zu finden. Das neue Werk ruft deutlicher als die bisherigen zur Pflege eines politischen Bewusstseins auf: "On with the Song" nimmt die ignoranten Hurrapatrioten aufs Korn, die über die Dixie Chicks herzogen, während "Why Shouldn"t We" die Zuversicht ausdrückt, dass in den USA eines Tages wieder die wahren Helden das Sagen haben werden. Dennoch strahlt das Album insgesamt die gleiche unaufdringliche, intime Atmosphäre aus wie sein Vorgänger. Wer das zarte "Twilight" hört, das die Stimmung eines besinnlichen Abends mit nahezu spiritueller Anmut einfängt, hat beinah das Gefühl, mit der Sängerin vor der Kulisse der Blue Ridge Mountains alte Geheimnisse und gemeinsame Erfahrungen auszutauschen. Carpenters Begabung besteht auch darin, verborgene Gefühlsschichten ihrer Zuhörer anzusprechen, indem sie ihren nuancenreichen Alt dazu einsetzt, die schlichtesten Worte mit tief empfundener Bedeutung zu erfüllen. Auf einer Stufe mit den Größen vergangener Generationen steht die Künstlerin, wenn es darum geht, Menschen aus der verletzten Seele zu sprechen, die angesichts einer Katastrophe den Halt verloren haben. "Houston", ein solcher Song auf diesem Album, erinnert in seiner Ausdruckskraft an Woody Guthries Klassiker "Deportee". Das ergreifende Stück handelt von den Opfern des Hurricanes Katrina, die alles zurücklassen mussten außer ihren Ängsten und Hoffnungen; schon die erste Zeile "Mama"s got her baby/Sleeping in a grocery cart" zeichnet ein Bild der Verzweiflung. Carpenter, der Melancholie nicht fremd ist, weiß, wie schwer es ist, aus einer Phase der Unruhe und des Kummers heraus wieder zu sich selbst zu finden. Das tröstliche letzte Stück, "Bright Morning Star", zeigt--wie überhaupt ein Großteil des Albums--all jenen, die im Leben Schiffbruch erlitten haben, einen sicheren Hafen auf. --Alanna Nash