Das Haus der Schwestern: Roman

Charlotte Links Roman Das Haus der Schwestern beginnt harmlos. Ein erfolgreiches Juristenpaar begibt sich für zwei Wochen auf eine Urlaubsreise. Barbara versucht, mit diesem Geschenk an ihren Ehemann Ralph zum vierzigsten Geburtstag ihre kurz vor dem Scheitern stehende Ehe zu retten. Aber die erholsamen Tage in England geraten zu einem Desaster. Statt sich einander in der Einsamkeit des angemieteten Hauses in der Einöde eines Dorfes in Nordengland näher zu kommen, brechen die Unterschiede des gutsituierten Paares noch stärker hervor. Barbara ist mehr an dem Schicksal anderer Menschen interessiert als an ihrem eigenen Ehemann. So zumindest sieht es Ralph, der sich sehnsüchtig ein Kind von Barbara wünscht. Doch statt den Weg zurück ins Ehebett zu finden, beharrt die hübsche und intelligente Barbara auf getrennten Schlafzimmern. Während Ralph und Barbara durch ein einsetzendes heftiges Schneetreiben immer mehr von der Außenwelt abgeschnitten werden, dringt Barbara in eine verbotenene Welt ein, in der sie nichts zu suchen hat. Sie liest ein versteckte Manuskript, das sie bei ihrer Suche nach Brennholz in einem alten Schuppen des Westhill House findet. Es birgt ein schreckliches Geheimnis und Barbara wird sich erst am Ende der Lektüre der Aufzeichnungen von Frances Gray der Gefahr bewußt, in die sie sich begibt. Sie taucht unerlaubterweise in die Geschichte von Frances Gray ein, einer selbstbewußten, energischen und sehr fortschrittlichen Frau, die sich allen Konventionen ihrer Zeit widersetzt und in der Liebe wenig Glück erfährt. Statt ihren Geliebten John Leigh, einen begüterten Sohn aus besseren Kreisen, zu heiraten, bricht sie nach London auf, um sich den Suffragetten anzuschließen. Sehr viel später gesteht sich Frances diesen Fehler ein, für den sie bitter bezahlen muß. Charlotte Link erhält die Spannung von der ersten bis zur letzten Seite. Sie führt den Leser durch die tragischen Schicksale mehrerer miteinander verwobener Familien in den Irrungen und Wirrungen des Ersten und Zweiten Weltkrieges. Sie streift die durch die beiden Weltkriege verursachten Bitternisse nicht im Vorübergehen, sondern schildert, wie Menschen durch die Grausamkeiten des Krieges verändert werden und teilweise sogar psychisch daran zerbrechen. Frances verändert sich und legt sich einen Schutzpanzer zu, ihr Bruder Georges verliert seinen Lebenswillen, der einst ehrgeizige Politiker John Leigh avanciert zum Trinker und Westhill House wird zum Auffanglager für kriegsgeschädigte Seelen. In dieser ganzen Szenerie bildet das Schicksal der einander verhaßten ungleichen Schwestern Frances und Victoria Gray einen roten Faden, der sich bis zum bitteren Ende durch die Lebensgeschichte der Grays zieht. Ein Stück Gesellschaftsgeschichte und ein spannender Roman, intelligent recherchiert und überzeugend inszeniert. --Corinna S. Heyn