Als wäre alles das letzte Mal: Erich Remarque. Eine Biographie: Erich Maria Remarque. Eine Biographie

"Tatsächlich wählte er für seine Bücher mit erstaunlicher Konsequenz Stoffe, die als unpopulär und gänzlich ungeeignet galten", schrieb Marcel Reich-Ranicki 1970 in seinem Nachruf auf Remarque (Die Zeit). Der Zeitungsredakteur, Hörfunk- und Fernsehjournalist und freier Autor Wilhelm von Sternburg legt jetzt zu Remarques hundertstem Geburtstag die erste umfassende Biographie dieses Schriftstellers vor: Als wäre alles das letzte Mal. Die Sternstunde für jeden Remarque-Leser! Ich habe mir den 512 Seiten dicken Schinken in zwei Tagen zum Gemüt geführt. Remarque konnte nicht nur schreiben -- das hätte man ihm irgendwann verzeihen können --, er war außerdem noch ein Nestbeschmutzer. Von Sternburg hat in die Biographie eine entzückende Sammlung an Zeitungszitaten eingebaut -- fünfzig Jahre eines Schriftstellerlebens. Gleich Remarques erster großer Roman Im Westen nichts Neues (1929) katapultierte den Schriftsteller an den Pranger der Nation. "Im Westen nichts Neues", schrieb die offizielle Zeitschrift für Heer und Flotte, "ist eine einzige ungeheuerliche Beleidigung des deutschen Heeres." Freilich wußte auch die moskautreue Linke der Weimarer Republik, wo der Feind stand: "Remarque ist mit allem Recht Lieblingsdichter der imperialistischen Bourgeoisie und ihrer kleinbürgerlichen Mitläufer geworden." Die amerikanische Verfilmung von Im Westen nichts Neues hatte in Deutschland so hohe Wellen geschlagen, daß der Film verboten wurde. Dazu schrieb Carl von Ossietzky in der Weltbühne prophetisch: "Heute hat der Faschismus einen Film erlegt, morgen wird"s etwas andres sein." Bis jetzt haben sich auf der ganzen Welt 15-20 Millionen Exemplare von Im Westen nichts Neues verkauft, und immer noch gehen allein in Deutschland jährlich 40 000 Exemplare über die Theke. Der Roman wurde in 49 Sprachen übersetzt. Wenn man aber meint, nach dem Ende des dritten Reiches hätte hier jemand wie Remarque zum Held werden müssen, irrt man. Auch die Nachkriegsrepublik spuckte auf ihn: In der Passauer Neuen Presse war 1951 zu lesen: "Selbst die Franzosen finden es erstaunlich, daß Remarque ähnlich wie Thomas Mann es heute noch für nötig hält, seine Erklärungen im Ausland durch antideutsche Bemerkungen zu würzen. (Und da will er wieder zurückkommen? -- Er würde besser fortbleiben, denn auch er ändert sich offenkundig nicht.)" Gleich nach Im Westen nichts Neues kam Der Weg zurück heraus -- ein Roman über die Anfänge der Weimarer Republik, der noch direkter den Krieg und die Kriegstreiber anklagte. Doch Remarque schwenkte nie eine ideologische Fahne. In allen seinen elf großen Romanen stellte er das Individum in den Vordergrund. "Seine zentralen Themen waren Liebe und Tod" (von Sternburg). Randfiguren der Gesellschaft faszinierten ihn. In seinen Drei Kameraden philosophiert das Straßenmädchen Rosa: "Das menschliche Leben ist zu lang für die Liebe. Einfach zu lang. Das hat mir mein Arthur erklärt, als er abgehauen ist." Nach dem Krieg veröffentlichte Remarque Der Funke Leben, seinen KZ-Roman, und wieder heizte er die Gemüter an. Man wußte ja nichts von den Lagern, und man wollte im Unwissen belassen werden. 1956 erschien dann Der schwarze Obelisk, den ich wegen seiner Leichtigkeit und Humors besonders schätze. So wie Remarques Romane Anstoß erregten, empörte sich der Spießer auch über sein Leben: Hollywood, Paris, Frauen -- mit Vorliebe berühmte Schauspielerinnen, Alkohol. Sogar von der lebenslustigen Marlene Dietrich, von dem Puma, wie Remarque sie nannte, ließ er sich einige Zeit lang verrückt machen: "Es ist eine sanfte Hölle jetzt. Ich werde wirklich von allen Seiten gebraten ... Muß weg." Im Jahre 1938, als Erich Maria Remarque schon seit langem im Schweizer Exil gelebt hatte, wurde er von den Nazis aus Deutschland ausgebürgert. Vier Jahre später ließ der Blutrichter Freisler Remarques Schwester hinrichten. "Selbstredend", schreibt von Sternburg, "daß in der Bundesrepublik niemand auf die Idee kommt, dem Schriftsteller in einem Akt des Respekts und der Wiedergutmachung die deutsche Staatsbürgerschaft zurückzugeben." Von Sternburg setzte die Entstehungsgeschichte Remarques einzelner Romane klug in einen zeitgeschichtlichen Rahmen und ließ auch das Private nicht zu kurz kommen. Remarques Streben nach Glück und von Sternburgs psychologische Ausflüge verleihen dabei dieser Biographie einen Romancharakter. Die scharfe Chronologie läßt Spannung aufkommen. Leider ist jede gute Biographie ein trauriger Roman -- an seinem Ende steht immer der Tod. Da sich Remarque in der Öffentlichkeit nicht gern zu politischen Themen äußerte, wurde die politische Brisanz seiner Romane von vielen nicht wahrgenommen. Von Sternburg verfaßte mit Als wäre alles das letzte Mal nicht nur die erste ausführliche Biographie des Erich Maria Remarque, sondern auch ein Plädoyer für Remarque als anspruchsvollen politischen Schriftsteller. Als Remarque noch lebte, ließ man ihm diese Anerkennung nicht zukommen. Billigen wir sie ihm doch jetzt zu! --Jaromir Konecny